Freitag, 8. Januar 2010

Mühsame Leute?

Happy New Year! Hoffentlich seid ihr erfolgreich ins neue Jahr gestartet! Wir sind seit einigen Tagen nun offiziell Teil des Servants Vancouver Teams und haben uns für ein Jahr verpflichtet, dann werden wir sehen, wie und wo es weitergeht.

Für den Monat Januar ist es sehr eng hier. Wir haben provisorisch ein kleines Zimmer in der Gemeinschaft übernehmen können, in einer kleinen 3-Zimmer-Wohnung, die wir mit 4 anderen Erwachsenen und vielen Gästen teilen. Zum Glück steht eine 2-Zimmer-Wohnung in Aussicht für Februar.

Arbeitsmässig sind wir schon recht in Schwung gekommen. Ich (Thomas) hab meine Büroaufgaben (v.a. Organisation von Events und Übersetzungen) übernommen, was ca. 2 Tage beansprucht. Daneben besuche ich regelmässig das Drop-In Center, bin da für Gäste in der Gemeinschaft (Gespräche, kochen, einkaufen, putzen etc.) und bin daran, mich zu informieren, wie und wo ich Leuten aus der Downtown Eastside mit Nachhilfe (z.B. Lesetrainings etc.) helfen kann....daneben übernehme ich etwas weniger als die Hälfte der Betreuungsaufgaben von Ellie....also ein ziemlich ausgewogenes Programm!

Folgende Gedanken aus dem Gemeinschafts-Alltag:

Er kommt jeden Tag um 4 Uhr am Nachmittag. Ein Mann mit Suchtvergangenheit, Ende 40, redeselig, sehr überzeugt von seinen eigenen Ansichten....er läutet, und als ich die Türe öffne, streckt er Ellie wortlos ein Glacé ins Gesicht und marschiert die Treppe hoch. Ich bin eigentlich am Kochen. Er kommt in die Küche, macht einige nicht allzu ermutigende Sprüche über meine Kochfortschritte, diskutiert mit mir über die richtige Art, meine Lasagne zuzubereiten, gibt (in diesem Moment absichtlich) schrille Tourett-Laute von sich...eigentlich müsste ich mich beeilen, damit das Abendessen für die knapp 20 Leute um 6 Uhr zubereitet ist...eigentlich hab ich keine Lust oder Zeit oder Energie, um mich beim Kochen stören zu lassen....eigentlich nervt mich, dass mich jemand in meinen Abläufen stört.....
Wenn ich nur diese Seite der Medaille anschaue, dann bin ich bewegt, die Türe das nächste Mal nicht mehr zu öffnen, oder mindestens die Küche abzuschliessen...wenn ich aber die Geschichte hinter dem Mann kennenlerne, weiss ich, dass unsere Türen offen sein müssen.
Besagte Person war jahrelang wegen seinem Tourett-Syndrom (Laute und Wörter kommen unkontrollierbar über die Lippen) in sein Zimmer verschanzt, ohne jeglichen Kontakt nach aussen. Er sagt, dass seine einzigen Freunde in der Servants-Gemeinschaft leben, und er hat sich (sagt man mir) im Vergleich zu der Zeit, als seine Besuche begannen (vor ca. 2 Jahren) schon extrem entwickelt, was seine sozialen Fähigkeiten anbelangt....

So merke ich hier, wie stark ich herausgefordert bin, die Menschen hinter dem manchmal abstossenden Äusseren und den oft herausfordernden Umgangsformen kennen zu lernen. Eigentlich ganz selbstverständlich als Christ...und doch häufig so herausfordernd in der Umsetzung.

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