Freitag, 29. Januar 2010

Es geht was!

Liebe Blogleser!
Schon zwei Wochen nichts mehr geschrieben...es geht uns gut! Kaum vier Wochen in Vancouver und schon sind wir mitten in allerlei Aktivitäten! Zwei davon möchte ich hier kurz beschreiben:

Creative World Justice
Schon mal versucht, 50 Leute in eine 3-Zimmer-Wohnung zu pferchen? Dies geschieht jeweils bei uns am Dienstag Abend (wobei wir für die letzten Treffen die zweite Wohnung geöffnet haben), wenn sich eine gemischte Gruppe aus Randständigen, Aktivisten, Interessierten, Servants-Teammitglieder etc. zu einer gemeinsamen Mahlzeit und dann zu Worship und einer Diskussions- bzw. Aktionsrunde versammelt. Ziel ist es, mit gezielten Aktionen ein breites Publikum zu erreichen, um zu sensibilisieren und zu protestieren ("holy mischief", heiligen Unfug treiben) in bereichen der sozialen Gerechtigkeit. Nächster Hauptschwerpunkt: die Olympischen Spiele. Nächste geplante Aktion: mit Hochdruckreiniger und Schablonen Sätze, die gegen Frauenhandel und Prostitution sprechen, in die Strassen zu spritzen (das Wasser wäscht den Dreck weg und hinterlässt so "schadenfrei" ein Wort.)

Prehab
Eben hatten wir einen jungen Mann für eine Woche bei uns für den Übergang von der Strasse in ein Rehabilitationsprogramm. Dies bedeutet eine 24-Stunden-Betreuung, die wir auf ca. 6 Leute aufgeteilt haben. Es ist toll, die Veränderungen sehen zu dürfen, die sich bereits in dieser ersten drogenfreinen Woche zeigt.

Im weiteren bin ich diese Woche einem lokalen Odachlosen-Fussballteam beigetreten, was mir helfen sollte, langsam wieder in Form zu kommen :)

Es läuft immer was hier, und wir dürfen wirklich viel positive Veränderung erleben in den Leuten, mit denen wir unterwegs sind. Wir sind sehr ermutigt, und auch froh, wieder einen geordneteren Tagesablauf zu haben nach den Monaten unterwegs.

Am Montag können wir auch in eine eigene (kleine 2-Zimmer) Wohnung einziehen...

Genaueres dann im nächsten Newsletter!

Zur Zukunft dieses Blogs: vermutlich werden sich die Beiträge zeitlich etwas ausdünnen in nächster Zeit...wir merken, dass die Kommunikation auf verschiedenen Ebenen (skype, email, blog, newsletter, facebook) einiges an Zeit beansprucht und wollen daher etwas zurückfahren.

Freitag, 15. Januar 2010

Interessantes Video zur Downtown Eastside

Liebe Blog-Leser!
Damit ihr euch etwas besser vorstellen könnt, wo wir wohnen, habe ich einen Link zu einem interessanten Youtube-Video eingefügt, der einen Einblick in die dunkle Seite unserer Nachbarschaft gibt...obwohl ich sagen muss, dass es im Videoclip noch krasser aussieht als im Alltag hier...wir sehen auch immer wieder Veränderung, Leute, die von den Drogen loskommen und Gott finden...dies ist unglaublich ermutigend!





Freitag, 8. Januar 2010

Mühsame Leute?

Happy New Year! Hoffentlich seid ihr erfolgreich ins neue Jahr gestartet! Wir sind seit einigen Tagen nun offiziell Teil des Servants Vancouver Teams und haben uns für ein Jahr verpflichtet, dann werden wir sehen, wie und wo es weitergeht.

Für den Monat Januar ist es sehr eng hier. Wir haben provisorisch ein kleines Zimmer in der Gemeinschaft übernehmen können, in einer kleinen 3-Zimmer-Wohnung, die wir mit 4 anderen Erwachsenen und vielen Gästen teilen. Zum Glück steht eine 2-Zimmer-Wohnung in Aussicht für Februar.

Arbeitsmässig sind wir schon recht in Schwung gekommen. Ich (Thomas) hab meine Büroaufgaben (v.a. Organisation von Events und Übersetzungen) übernommen, was ca. 2 Tage beansprucht. Daneben besuche ich regelmässig das Drop-In Center, bin da für Gäste in der Gemeinschaft (Gespräche, kochen, einkaufen, putzen etc.) und bin daran, mich zu informieren, wie und wo ich Leuten aus der Downtown Eastside mit Nachhilfe (z.B. Lesetrainings etc.) helfen kann....daneben übernehme ich etwas weniger als die Hälfte der Betreuungsaufgaben von Ellie....also ein ziemlich ausgewogenes Programm!

Folgende Gedanken aus dem Gemeinschafts-Alltag:

Er kommt jeden Tag um 4 Uhr am Nachmittag. Ein Mann mit Suchtvergangenheit, Ende 40, redeselig, sehr überzeugt von seinen eigenen Ansichten....er läutet, und als ich die Türe öffne, streckt er Ellie wortlos ein Glacé ins Gesicht und marschiert die Treppe hoch. Ich bin eigentlich am Kochen. Er kommt in die Küche, macht einige nicht allzu ermutigende Sprüche über meine Kochfortschritte, diskutiert mit mir über die richtige Art, meine Lasagne zuzubereiten, gibt (in diesem Moment absichtlich) schrille Tourett-Laute von sich...eigentlich müsste ich mich beeilen, damit das Abendessen für die knapp 20 Leute um 6 Uhr zubereitet ist...eigentlich hab ich keine Lust oder Zeit oder Energie, um mich beim Kochen stören zu lassen....eigentlich nervt mich, dass mich jemand in meinen Abläufen stört.....
Wenn ich nur diese Seite der Medaille anschaue, dann bin ich bewegt, die Türe das nächste Mal nicht mehr zu öffnen, oder mindestens die Küche abzuschliessen...wenn ich aber die Geschichte hinter dem Mann kennenlerne, weiss ich, dass unsere Türen offen sein müssen.
Besagte Person war jahrelang wegen seinem Tourett-Syndrom (Laute und Wörter kommen unkontrollierbar über die Lippen) in sein Zimmer verschanzt, ohne jeglichen Kontakt nach aussen. Er sagt, dass seine einzigen Freunde in der Servants-Gemeinschaft leben, und er hat sich (sagt man mir) im Vergleich zu der Zeit, als seine Besuche begannen (vor ca. 2 Jahren) schon extrem entwickelt, was seine sozialen Fähigkeiten anbelangt....

So merke ich hier, wie stark ich herausgefordert bin, die Menschen hinter dem manchmal abstossenden Äusseren und den oft herausfordernden Umgangsformen kennen zu lernen. Eigentlich ganz selbstverständlich als Christ...und doch häufig so herausfordernd in der Umsetzung.